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Der Name Jörg Büsing dürfte wohl jedem WESTSIDE-Fan ein Begriff sein: ob in seiner Kurzform J.W.B., oder in seiner eher verblümten Variante JEROME DES ARTS, war er von seinem WESTSIDE-Debüt im Jahr 1986 als Sänger der Remix-Version von "Los Ninos Del Parque" (TWO OF CHINA), bis zum unrühmlichen Ende von WESTSIDEmusic im Jahr 1991 immer präsent. Fünf Jahre WESTSIDEmusic und (fast) unzählige Veröffentlichungen - da blieben einige Fragen offen und es war höchste Zeit für ein ausführliches Interview mit JEROME DES ARTS:

Uwe (thesecondfuture.net):
Jörg, wie kamst Du dazu, selbst Musik zu machen?

Jörg Büsing:
Als großer DEPECHE MODE Fan habe ich mir Anfang der Achtziger ein paar Synthies gekauft und mit einem Freund zusammen angefangen, eigene Stücke zu spielen. Irgendwann hatten wir einige Songs, aber alle waren halt instrumental. Da ich stimmlich das kleinere Übel von uns beiden war, habe ich eben gesungen.

Uwe (thesecondfuture.net):
Wann und wie entstand der Kontakt zu WESTSIDEmusic? War das so die klassische "Demos an Plattenfirmen verschicken"-Geschichte?

Jörg Büsing:
Ja das war sie tatsächlich. Wir wurden von allen großen Firmen abgelehnt und so sind wir irgendwann bei WESTSIDE gelandet.

Uwe (thesecondfuture.net):
Zum ersten Mal ist mir der Name Jerome 1986 als Sänger der TWO OF CHINA Remix-Maxi "Los Ninos Del Parque" begegnet. War die Zusammenarbeit mit TALLA 2XLC eine gecastete Sache der Plattenfirma, oder wie lief das damals?

Jörg Büsing:
Achim Völker spielte mir die erste Version von "Los Ninos Del Parque" vor und fragte, was ich davon halten würde. Ehrlich gesagt fand ich den Sänger furchtbar. Das habe ich ihm dann auch so gesagt, worauf er nur meinte, ob ich es besser könne. Ich sagte ja und am nächsten Tag war ich im Studio. Das Problem war nur, dass ich kein Spanisch konnte. Also habe ich mir immer und immer wieder das Original angehört und mein Bestes versucht. Die Nummer lief europaweit auch in Spanien, die haben sich köstlich über meine Aussprache amüsiert.



Uwe (thesecondfuture.net):
Ich gebe zu, dass ich 1987 ein bißchen den Überblick verloren habe: J.W.B. HITS THE BEAT, SOCIETY OF SILENCE und natürlich die BOYS FROM BRAZIL - viele eigene Projekte mit vielen verschiedenen Vertrieben. Was waren die Gründe dafür?

Jörg Büsing:
Zu der Zeit hatte ich so viele unterschiedliche Musikstile im Kopf und deshalb nannten wir jedes Projekt einfach anders.

Uwe (thesecondfuture.net):
Wie entstand das Projekt SOCIETY OF SILENCE und die Zusammenarbeit mit Phillip Degünther, der ja nicht zum engeren WESTSIDE-Team gehörte?

Jörg Büsing:
Phillip war derjenige, mit dem ich anfing Musik zu machen. Wir beide zusammen bekamen den Plattenvertrag bei WESTSIDE. Erst später arbeitete ich dann alleine als Studiokomponist und Sänger weiter. Phillip und ich haben uns super verstanden und waren jeden Samstag, nachdem wir von 15 bis 2 Uhr Musik gemacht hatten, im DORIAN GRAY bis morgens um 9 Uhr. Sven Väth hat damals viel EBM aufgelegt, spielte so Sachen wie FRONT 242 und NITZER EBB; das war die geilste Club-Zeit meines Lebens.

Uwe (thesecondfuture.net):
Die geilste musikalische Zeit Deines Lebens war wohl das Projekt BOYS FROM BRAZIL, das Du zusammen mit Cornelius A. Bauer von ORIENT AFFAIR gegründet hast. Wie kam es dazu?

Jörg Büsing:
Weiß ich auch nicht mehr genau. Irgendwie habe ich den Conny kennen gelernt und wir hatten eine Zeit lang dieselben musikalischen Interessen. Wenn ich mich richtig erinnere, kam der Name BOYS FROM BRAZIL von mir, weil ich den Film gesehen hatte. Aber so sicher bin ich mir da auch nicht mehr...

Uwe (thesecondfuture.net):
Die BOYS FROM BRAZIL erzielten mit "We Don't Need No World War III" einen sensationellen Erfolg in den DJ-Charts. Welche Erinnerungen hast Du an diese Zeit?

Jörg Büsing:
Wenn ich die Nummer heute höre, kann ich den Erfolg nicht so recht verstehen. Der Song war wirklich nichts überragendes und die Grammatik Deutsch in Verbindung mit ganz schlechtem Englisch. Naja, entweder hat das im Club keiner gemerkt, oder es hat niemanden gestört... Auf jeden Fall war es meine meistverkaufte Platte. Ja, es war tatsächlich mit zwei bis drei Millionen verkauften Singles mein größter Hit. Nee Quatsch, es sind rund 20.000 Stück davon verkauft worden.

Uwe (thesecondfuture.net):
Gab es aufgrund dieser Erfolge auch Überlegungen, ein BOYS FROM BRAZIL-Album zu veröffentlichen?

Jörg Büsing:
Ja, die gab es wirklich. Nach "We Don't Need No World War III" änderten wir aber total unseren Musikstil. Die nächste Single "Hot Stuff" war dann auch wesentlich kommerzieller und wurde schließlich ja von der Ariola vertrieben.

Uwe (thesecondfuture.net):
Ja, aber eben diese Geschichte mit "Hot Stuff", Veröffentlichungen in Europa und den USA, ein Major-Deal mit Ariola, TV-Auftritte, Bravo-Berichte - da mußte doch einfach auch ein Album kommen. Habt ihr weitere Titel für BOYS FROM BRAZIL produziert, die aus irgendwelchen Gründen nicht veröffentlicht wurden?

Jörg Büsing:
Ja, wir hatten weitere Titel im Studio produziert und manche dann auch live in Discotheken performt. Alle eher wie "Hot Stuff", also nicht diese Minimalmusik wie bei "World War 3". Die Bänder müßte WESTSIDE noch haben, ich denke es waren mit "WW3" und "Hot Stuff" so sieben oder acht Titel. Warum kein Album kam weiß ich auch nicht genau. Ich glaube es lag einfach daran, dass die Verkaufszahlen nicht so der Renner waren und Ariola nicht genug Kohle in die Promotion stecken wollte.

Uwe (thesecondfuture.net):
Cornelius Bauer stieg nach "Hot Stuff" aus, Axel Henninger nach "Perfect". Ging's deshalb mit den BOYS FROM BRAZIL nach drei Singles nicht mehr weiter?

Jörg Büsing:
Conny stand voll auf diese Minimalmusik wie bei "WW 3". Thomas und ich mehr auf Pop mit anspruchsvollerem Playback. Es waren also diese berühmten musikalischen Differenzen, die zu Connys Ausstieg führten. Axel Henninger empfand ich als sehr wichtig für WESTSIDE. Er hatte viel musikalisches Wissen und hat den Künstlern viel geholfen. Also noch ein dickes Lob an Axel - ohne ihn wäre vieles nicht so geworden, wie es wurde. Neben der ganzen finanziellen Geschichte war wohl auch ein Grund, dass WESTSIDE mit dem Studio nach Frankfurt gehen wollten und Axel sein Studio eben in Weiterstadt hatte. Bei Axel gab es übrigens immer diese leckeren Fertiggerichte, von den wir uns jahrelang ernährten.

Uwe (thesecondfuture.net):
Parallel zu den ganzen Projekten warst Du damals ja auch als DJ tätig. Wo hast Du denn aufgelegt und welche Tracks waren auf Deiner Playlist?

Jörg Büsing:
Ich habe im K 17 und in der Stiftstraße im Weissen, oder wie der Club hiess, aufgelegt. Da waren viele Freaks unterwegs: New Waver, New Romantics, Skins, Punks und Mods. Danach war ich noch in der Wartburg in Wiesbaden und ein paar Monate im Zorbas in Mallorca. Bei mir lief immer viel THE CURE, DEPECHE MODE, Neue Deutsche Welle und New Romantic.





Uwe (thesecondfuture.net):
Und dann war da ja noch Dein "Solo-Projekt" J.W.B. HITS THE BEAT, bei dem ich heute noch der Meinung bin, dass "One Day In My Life" die bessere A-Seite der Debüt-Maxi gewesen wäre...

Jörg Büsing:
Also ich muß sagen, dass "Body On Body" in vielen Frankfurter Clubs lief. Der Song war ein bißchen an OFFs "Electrica Salsa" angelehnt, hatte einen geilen Beat, der durch wenig Musik super zum Tanzen war. "One Day In My Life" ist ja eher ein Radio-Titel.

Uwe (thesecondfuture.net):
Bei "Never Again" übernahm dann Frank Schendler von C.C.C.P./BEATAMAX die Vocals. Ich weiß noch, wie sehr mich das damals überraschte, weil es die erste Zusammenarbeit von WESTSIDE-Musikern mit Leuten von CLOCKWORK/AMNESIA war.

Jörg Büsing:
Frank und ich wohnten als Kinder in einer Straße. Wir waren gute Freunde und spielten zusammen in verschiedenen Schulbands. Er war damals schon der Sänger und ich saß am Schlagzeug. Wir coverten POLICE, EXTRABREIT. und solche Sachen. Er hat mich eigentlich auch zum Singen inspiriert - fetten Gruß an Frank. Leider haben wir irgendwann mal den Kontakt verloren. Thomas Krause habe ich vor ein paar Jahren im Europapark Rust getroffen, wo er jeden Tag Auftritte hatte.

Uwe (thesecondfuture.net):
Du hast Dich Ende der 80er so ein bißchen von der Bühne zurückgezogen, warst als Komponist und Produzent aber immer präsent. Mir fällt da spontan Deine Mitwirkung bei DEBBIE SASSON und OH WELL ein...

Jörg Büsing:
Für OH WELL habe ich viele Songs geschrieben. Da war ich auch als Schlagzeuger bei großen Auftritten wie im Olympiastadion in Moskau ( 25 000 Zuschauer), in Nürnberg ( 5000 Zuschauer) oder bei einer BOY GEORGE Party in Amsterdam dabei. Für DEBBIE habe ich nur den Song "Simple Day" geschrieben, der auf ihrem Album ist. Außerdem habe ich noch einen Remix von "Danger In Her Eyes" gemacht, der dann von den Völker Bros. auf dem "Pop Album" veröffentlicht wurde.

Uwe (thesecondfuture.net):
Wenn ich mir so das "1st Album" von OH WELL anschaue - kann es sein, dass WESTSIDE durch Dich so ein bißchen die Lücke schließen wollte, die Axel Henninger hinterlassen hatte?

Jörg Büsing:
Nee, die Lücke hat eher der Volker Barber geschlossen. Er war ein Meister, was die Instrumente und die Tontechnik anging. Ich war da eher ein Praktikant mit manchmal ganz guten Ideen.

Uwe (thesecondfuture.net):
Anfang der 90er kam von Dir nicht mehr so viel wie zuvor. Die ganze WESTSIDE-Geschichte hatte inzwischen auch ihren Independent-Charme verloren und die Produktionen klangen einfach nur noch billig. Wie wirkte das auf Dich als beteiligten Künstler, der ja Mitte/Ende der 80er ganz andere Zeiten erlebt hatte?

Jörg Büsing:
WESTSIDE startete ja im Independent- und Technobereich. Wir versuchten uns dann im Popbereich, was ja auch ganz gut gelang. Deborah war mit zwei Songs in den Verkaufscharts und OH WELL sogar in mehreren Ländern. Denk' mal an die großen Erfolge mit OKAY und CAMOUFLAGE...

Uwe (thesecondfuture.net):
Ohne zu schleimen, aber mir fällt an Dir sehr positiv auf, dass Du keine dreckige Wäsche wäschst, sondern von der damaligen Zeit nur die schönen Sachen erzählst. War bei Dir, im wahrsten Sinne des Wortes, in Bezug auf WESTSIDE alles im Reinen?

Jörg Büsing:
Da halte ich es mit JULI: es war 'ne geile Zeit! WESTSIDE hat mir geholfen, einen Fuß ins Business zu bekommen, schließlich wollte mich am Anfang keine Plattenfirma haben. Klar gab es am Ende etwas Streit wegen der Kohle, sie hatten kein Geld mehr und konnten die Gehälter nicht mehr zahlen. Nachdem ein paar Schecks platzten, sagte Achim, ich soll mein Studioequipment mitnehmen, es verkaufen und das Geld behalten. Das war sehr fair von ihm. Da ich nie der große Keyborder war, habe ich danach nicht mehr versucht, mit der Musik mein Geld zu verdienen.

Uwe (thesecondfuture.net):
Auf Deiner Seite bei mp3.de finden sich neben einigen aktuelleren Songs auch Demos aus den 80ern. Gab's eigentlich zu Deiner WESTSIDE-Zeit schon Fremdproduktionen oder -kompositionen, die nicht bei WESTSIDE erschienen sind?

Jörg Büsing:
Nein, ich habe ausschließlich für WESTSIDE produziert.

Uwe (thesecondfuture.net):
1991 wurde WESTSIDE dann an die Wand gefahren. Nach allem was Du so erzählt hast, mußte das für Dich einen heftigen Einschnitt bedeuten. Wie auf mp3.de zu hören ist, hast Du aber auch danach noch Musik produziert. Was hast Du nach WESTSIDE so getrieben?

Jörg Büsing:
Nach WESTSIDE habe ich lange nichts mehr gemacht. Erst Ende der 90er habe ich ein bißchen für einen Frankfurter DJ gesungen und zwei oder drei weitere Platten veröffentlicht, die aber alle floppten.

Uwe (thesecondfuture.net):
2004 gab's ja dann einige Neuauflagen der alten Westside-Klassiker auf dem Völker Bros.-Label wtwo. Ich weiß, dass sich die Völker Bros. damals auch Gedanken über eine "Best Of Boys From Brazil" bzw. eine "Best Of Jörg Büsing"-CD machten, die einige der unveröffentlichten BOYS FROM BRAZIL-Stücke enthalten sollte. Gab's darüber auch Gespräche mit Dir?

Jörg Büsing:
Ich denke nicht, dass die Völker Bros. so etwas machen, denn was damals kein Hit war, wird heute sicher kein Hit mehr. Wir sind mittlerweile alle vergessen und keiner würde davon etwas kaufen. Ich bin ein Realist und mache mir nichts vor, für mich ist die Zeit der Musik vorbei.

Uwe (thesecondfuture.net)
Was ist für die Zukunft geplant? Wird es vielleicht doch noch irgendwann mal eine "Best Of Jörg Büsing"-CD geben?

Jörg Büsing:
Never Again

Uwe (thesecondfuture.net)
Herr Büsing, vielen Dank für das Gespräch und "Hals- und Beinbruch" beim Radfahren auf Mallorca ;-)

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