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Interview mit ION JAVELIN - http://www.weiberelectro.de (2003)







Zwölf Jahre sind seit der letzten Veröffentlichung von Moskwa TV vergangen und die Musikwelt hat seitdem einige Umdrehungen vollzogen. Trotzdem ist die Band mit Stücken wie "Brave New World" oder "Tekno Talk" bei vielen Fans unvergessen. Einige wenige Platten brachten der Gruppe einen enormen Status ein; die Scheiben werden heute zu horrenden Liebhaberpreisen gehandelt und sind entsprechend schwer zu ergattern.

Sänger Jan Veil, alias Ion Javelin, lebt noch immer in Frankfurt. Zum "Sound of Frankfurt" hat er Mitte/Ende der 80er seinen Teil beigetragen, als die elektronische Musik ihren Siegeszug begann. Unlängst hat er gemeinsam mit Harald Löwy (Chandeen) das Album "Broken Surface" veröffentlicht, mit dem er einen musikalischen Neustart unternimmt. Atmosphärische Klangräume verbinden sich mit jazzigen Fragmenten, Trip-Hop Rhythmen und poppigen Melodien zu einer ganz eigenen Mischung. Da seinerzeit leider noch kein digitales Massenmedium existierte, wurde über die Hintergründe von Moskwa TV nur wenig bekannt. Und so muß Jan zunächst ein wenig über die Anfänge berichten:

ION JAVELIN:
Angefangen habe ich eigentlich bei der CBS, wo ich über einen privaten Kontakt empfohlen worden bin. Dort habe ich auch eine Single veröffentlicht, die sogar im Musikladen vorgestellt wurde, aber leider keinen Erfolg hatte. Sie hieß "Dancing in heaven", erschien unter dem Pseudonym Gary Chandler und war eine Discoproduktion, die nicht besonders gut war. Es war aber eine nette Erfahrung, gleich mal im Fernsehen aufzutreten - die letzte Ausgabe des Musikladens übrigens. CBS haben mich an Westside weiterempfohlen, die damals einen Sänger für Moskwa TV suchten.

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Somit war Moskwa TV eine Art gecastete Band?


ION JAVELIN:
Ja, das kann man sagen. Es lief nicht über den persönlichen Kontakt zu Talla, sondern die Plattenfirma suchte für eine Band mit Potential eine gute Stimme. Unsere erste Kooperation war Generator 7/8, was dann auch gleich eingeschlagen hat.

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Darauf folgte "Dynamics & Discipline", das erste Album


ION JAVELIN:
Ja, Generator 7/8 war mein einziger Beitrag zum Album, das ansonsten größtenteils fertig war. Ich habe den Text und die Gesangsmelodien geschrieben, das Arrangement hat Axel Henninger gemacht. Talla hatte auch seinen Einfluß, aber Axel ist bei Moskwa TV immer zu kurz gekommen. Wahrscheinlich hat er das Projekt zu Anfang nicht so ernst genommen und hat sich daher seine Urheberrechte nicht verbriefen lassen, worüber er sich im Nachhinein etwas geärgert hat.
Bei der zweiten LP "Blue Planet" änderte sich das. Die Hälfte der LP ist instrumental - diese hat Talla mit Axel eingespielt, die Stücke mit Gesang habe ich mit Axel zusammen aufgenommen. Es gab in dem Sinne keine wirkliche Bandarbeit. Wir hatten allerdings einige gemeinsame Liveauftritte.
Nach "The art of fashion" wurde Talla mein Einfluß zu groß und er wollte die Arbeit nicht fortsetzen. Über Westside wollte er dann einen anderen Sänger suchen lassen. Die Kandidaten gefielen aber nicht und so wurde die Zusammenarbeit vorerst fortgesetzt. Nachdem ich aber wieder mitgemacht habe, war klar, daß er nicht nochmal einen Rückzieher würde machen können und daß auch die Urheberrechte so verteilt würden, wie es üblich ist, nämlich 50:50 Text und Komposition. Und die Gesangsstücke habe ich alle mit Axel Henninger eingespielt. Talla hat dann die Band verlassen, weil er auch an diesen Stücken die Rechte beanspruchen wollte.
Es war schade, denn es lief gut für uns. Die zweite LP sollte eigentlich bei EMI erscheinen. Als die Firma aber von der Lage erfuhr, ließen sie den Deal platzen.

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Du hast dann noch in eigener Regie das "Javelin"-Album herausgebracht.


ION JAVELIN:
Richtig. Westside hatte sich allerdings irgendwann über Geldstreitigkeiten mit Axel Henninger überworfen - das war Ende 1988. Volker Barber ist dafür als Produzent eingesprungen.

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In sofern ist es eigentlich ungewöhnlich, daß der Name Moskwa TV bei dir verblieben ist?


ION JAVELIN:
Ja, eigentlich schon - aber das hat Westside mit Talla ausgehandelt.

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Das Album wurde dann jedoch kurz nach Erscheinen zurückgezogen.


ION JAVELIN:
Das war vielleicht ne Geschichte. "Javelin" war eigentlich schon 1990 fertig produziert, wir sind auch schon in Berlin aufgetreten. Aber Westside haben die VÖ herausgezögert, weil sie einen großen Vertrag abschließen wollten. Den haben sie auch bekommen. Sie haben nämlich Metronome für gutes Geld insgesamt drei Alben verkauft - neben uns waren das Deborah Sasson und Randy Sneed.
Genau an dem Tag, als unsere Single "Tell me tell me" erschien - das war schon 1991 - wurde bekannt, daß Westside pleite gegangen war. Das war eine Nacht- und Nebelaktion, in der auch das Studio ausgeräumt wurde.
Metronome war darüber stinksauer und fühlte sich betrogen. Ob zu Recht, kann ich nicht beurteilen, aber in der Branche sind Westside wohl vielen Leuten Geld schuldig geblieben. Die erste Auflage des Albums waren 10.000 Stück, - wieviel davon tatsächlich auch verkauft worden ist, weiß ich nicht, aber Metronome haben das Album aus Ärger sterben lassen. Das ist sehr bedauerlich, denn ich halte es für die beste MTV-Platte. Zudem sollte die Scheibe auch in den USA erscheinen, die Weißmuster kursierten schon, die Radios spielten die Platte und es kam gut an.

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Wird es nochmal etwas von Moskwa TV geben?


ION JAVELIN:
Wer weiß - ich würde gerne "Javelin" nochmal zugänglich machen. Es gab auch schon einige Anfragen. Es gibt auch noch unveröffentlichtes Material

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Hast du als Musiker denn kontinuierlich weiter Stücke geschrieben oder dich "zur Ruhe gesetzt"?


ION JAVELIN:
In der Zeit nach MTV habe ich mindestens noch 40 Stücke geschrieben und teilweise auch ausproduziert. Ich habe auch ein komplettes Soloalbum produziert, daß 1995 fertig war. Leider habe ich es nicht geschafft, hierfür einen geeigneten Partner zu finden. Der deutsche Plattenmarkt war dafür nicht offen. Es hieß, es sei zu 80er lastig oder es hieß, ich sei keine Frau...die dümmsten Argumente also. Ich denke, man ist enfach der anglo-amerikanischen Industrie hörig, gerade was englischsprachige Produkte aus Deutschland angeht. In den letzten Jahren hat sich allerdings ein bißchen was bewegt. Heute geht einiges, was früher nicht möglich war. Es gab bis in die späten 90er einen großen Vorbehalt gegen deutsche Produkte.

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Zwischendurch hast du ein Chandeen-Stück eingesungen.


ION JAVELIN:
Das markiert den Anfang der Kooperation mit Harald. Wir haben uns über Freunde kennengelernt, Harald hat sich einige Sachen von mir angehört und fragte, ob ich nicht Lust hätte, ein Stück von Chandeen mitzuschreiben. Seine Kompositionen haben mich auch gleich angesprochen und so wurde "Walking Through The Rain" aufgenommen.

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Die Musik auf "Broken Surface" ist nun völlig anders als das, was du bisher mit MTV veröffentlicht hast.


ION JAVELIN:
MTV ist für mich eigentlich Vergangenheit. Ich kann mir durchaus vorstellen, mal wieder etwas in Richtung Electro-Pop zu machen, ich mag die Musik auch noch sehr, aber musikalisch bin ich deutlich vielseitiger und MTV war nur ein Ausschnitt davon.
Durch die Zusammenarbeit mit Harald ist natürlich auch etwas ganz anderes entstanden. Es ist für uns beide Neuland gewesen und das Ergebnis klingt alles andere als konventionell. Wir haben uns sehr gut ergänzt.

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"Broken Surface" ist als Konzeptalbum angelegt. Vielleicht könntest du in eigenen Worten zusammenfassen, welche Reise man da unternimmt.


ION JAVELIN:
Es geht um einen Europäer, der in einer fremden Großstadt - New York, wie sich herausstellt - ankommt und sich voll darauf einläßt, d.h. er hat nichts Spezielles vor. Es geht ihm darum, in die Atmosphäre dieser Stadt gänzlich einzutauchen. Die Stadt macht etwas Bestimmtes mit ihm. Seine Innenwelt und die Außenwelt, beginnen sich immer mehr zu verschränken und das schafft neue Bewußtseinszustände. Der Grund ist der kulturelle Unterschied.
Es kommt einfach von der Power, mit der diese Stadt auf ihn eindrischt. Unser Protagonist ist die ganze Zeit zu Fuß unterwegs - manchmal auch mit der U-Bahn - geht mit offenen Augen durch die Stadt und gewinnt verschiedene Eindrücke, gerät streckenweise in eine Verwirrung hinein. Es wird quasi ein ganzer Tag in dieser Stadt geschildert - von der Ankunft bis zum Morgengrauen des nächsten Tages.
Der Text basiert auf einer Vorlage, die ich vor Jahren ursprünglich auf Deutsch verfasst habe. Ich habe die Texte leicht umgestellt und zu Klustern zusammengefasst, die eine bestimmte Atmosphäre ausdrücken. In sich hat jeder Abschnitt unheimlich viele Brüche. Trotzdem strahlt es eine große Ruhe aus.
Wenn man das Album öfter anhört, entdeckt man die ruhigen Stücke, die Platte wächst mit der Zeit. Das war übrigens früher mein Eindruck von Sachen wie Tuxedomoon. Erst dachte ich, "das ist ja total schräg", aber mit der Zeit erschließt es sich. Man muß es öfter hören, aber es nutzt sich nicht ab.
Für mich ist Vieles aus dem Techno-Bereich nur noch grelles Rhythmuszeug ohne Übergänge, ohne Melodie. Dieser Kram ist nur noch todlangweiliges Gewummer, das sich auch kein Mensch zu Hause anhört. Dabei gibt es natürlich auch auch ganz hervorragende elektronische Musik.

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Was gefällt dir?


ION JAVELIN:
Sachen wie Massive Attack, Kruder & Dorfmeister oder Portishead. Das sind für mich Leute, die wirklich einen neuen Sound kreiert haben und wegweisend waren. Ich freue mich immer, wenn Leute wie Massive Attack Erfolg haben, weil diejenigen, die wirklich gut sind, meist nicht die Anerkennung von der Öffentlichkeit bekommen, die sie verdienen. Diejenigen, die später kommen, zehren von dieser Avantgarde, verwässern es mehr und mehr, haben aber größeren Erfolg als die "Originale".



Quelle: http://www.weiberelectro.de (Vielen Dank an die Seite mit den Lach- und Sachgeschichten!)

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